Abschied nehmen

Die nachfolgenden Zeilen sollen meinen Eltern in lieber Erinnerung gewidmet sein.

Der Lauf des Lebens bringt es wohl mit sich, dass viele Kinder eines Tages ihre Eltern zur letzten Ruhestätte geleiten. Dennoch war es in unserer Familie so, dass meine Eltern bereits 1995 den Tod meines älteren Bruders, welcher bei einem Tauchunfall ums Leben kam, verkraften mussten. Meine Oma musste in hohem Alter nicht nur von ihrem Enkel, sondern mehr als zwölf Jahre später auch von ihrem einzigen Kind – meiner Mama – Abschied nehmen.

Es sind nicht nur der schmerzhafte Verlust, sondern vielmehr die Umstände wie Mama und Papa ihre letzten Tage, Wochen und Monate verbringen mussten, welche mich zu diesem Beitrag veranlasst haben. In beiden Fällen stelle ich mir noch heute die Frage, ob und inwieweit ich etwas zum Besseren hinwenden hätte können. Wenngleich ich glaube, dass ich – unter den gegebenen Umständen – nichts unversucht gelassen habe lassen sich solche Selbstvorwürfe kaum verdrängen.

Lasst mich bitte einfach ein wenig erzählen …

Mama (1939-2008)

Meine Mama hatte sich 2005 aus sehr persönlichen Gründen für einen neuen Lebensabschnitt entschieden. Karl war – bewusst wertfrei formuliert – soviel anders als Joschi, den sie 1991 geheiratet hatte. Die Irritationen im Bekanntenkreis – auf die ich hier besser nicht näher eingehen möchte – waren erheblich, schwer nachvollziehbar und zwischenmenschlich nicht allzu ehrenvoll. Noch im selben Jahr trennte sich meine Mama von Joschi einvernehmlich und der Kleingarten in Favoriten musste deutlich unter seinem Wert verkauft werden.

Mama lebte mit Karl, der sich ebenso gerade scheiden hatte lassen, in dessen Kleingartenhaus in Floridsdorf, wo ich auch regelmäßig zu Besuch war. Im Jahr 2006 konnten die beiden trotz begrenzter finanzieller Mittel in Thailand und auf der griechischen Insel Kos urlauben. Am 29. August 2007 heirateten Mama und Karl am Standesamt Floridsdorf. Dabei durfte ich als Trauzeuge agieren, wobei außer der Gartennachbarin und einem Bekannten von Karl niemand an der kleinen Zeremonie teilnahm. Ich bin davon überzeugt, dass die beiden glücklich waren und stand dem mutigen Schritt stets positiv gegenüber. Im Anschluß an das Standesamt waren wir in einem nahegelegenen Gasthaus essen, wo ich als Hochzeitsgeschenk den Gutschein für einen Urlaub in der Therme Loipersdorf überreichen konnte. Zum Antritt dieser Reise sollte es leider nicht mehr kommen …

Es fällt mir alles andere als leicht den Krankheitsverlauf meiner Mama in möglichst offenen Worten wiederzugeben. Am 12. Oktober 2007 – rund sechs Wochen nach der Heirat – musste Mama in einem kleinen Wiener Bezirkskrankenhaus stationär aufgenommen werden. Im Alter von 68 Jahren war sie äußerst vital und hatte in den Jahren zuvor auch keine ernsten Erkrankungen durchleben müssen. Mit der Diagnose einer Gelbsucht (Ikterus), die mich vorerst nicht mit allzu großer Sorge erfüllte, wurde sie nach etwa zwei Wochen wieder entlassen.

Bereits am 9. November erforderte der gesundheitliche Zustand eine neuerliche stationäre Aufnahme. Es war für uns damals nicht absehbar, dass sie nicht mehr nach Hause zurückkehren würde. Ich möchte die Erinnerungen an das Siebenbettzimmer ebenso vedrängen wie den Umstand, dass wir von ärztlicher Seite viel zu lange Zeit im Unklaren gelassen wurden. Als ich den Ernst der Lage erkannte und eine Zweitmeinung bei einem renommierten Onkologen einholen wollte war es schon viel zu spät. Am 17. Jänner 2008 starb meine Mama nach abgebrochener Chemotherapie qualvoll an den Folgen eines inoperablen Gallengangkarzinom. Ihre letzte Ruhestätte findet sich am Friedhof Großjedlersdorf in der Gruppe 27. Etwas mehr als sechs Jahre später wurde ihre Mama – meine Oma – an ihrer Seite beigesetzt.

Papa (1931-2018)

Mein Papa hatte im Jänner 2000 – am 69. Geburtstag – seine langjährige Lebensgefährtin geheiratet. Das erste mal in meinem Leben agierte ich damals als Trauzeuge – zwei weitere male übernahm ich noch diese ehrenvolle Aufgabe, wenngleich rückblickend gesehen stets kein gutes Omen damit verbunden war. Der Umgang mit Trude (realer Name verändert) war für mich stets eine Gratwanderung gewesen – was vor allem auf deren zu Paranoia und Narzissmus neigenden Persönlichkeitsstruktur zurückzuführen war. Dass ihre Beziehung zu meinem Papa die Ehe meiner Eltern zerstört und meine Kindheit äußerst nachhaltig geprägt hatte sei nur am Rande erwähnt. Mein Papa war zwar bestimmt nie allzu kontraktfreudig, lebte aber seit den 90er Jahren zunehmend isoliert. Es ist nicht böse gemeint, wenn ich darauf hinweise dass man sich mit seiner nunmehrigen Gattin in kultivierten Kreisen einfach nicht sehen lassen konnte. Selbst war ich zumeist am Sonntag auf Besuch, wobei es zwischen Trude und mir nich selten zum Eklat kam und ich mich dann mit Papa in das frühere Kinderzimmer zurückzog.

Papa hatte schon länger mit orthopädischen Problemen zu kämpfen und erhielt im Zuge einer OP im Jahr 2009 ein künstliches Hüftgelenk. Ab 2011 konsultierte ich – auf seinen ausdrücklichen Wunsch – mit ihm zahlreiche Termine bei Wahlärzten um ein chronisches Schmerzsyndrom zu lindern. Auch die Vorbereitung von Medikamenten und den stetigen Kontakt mit Ärzten nahm ich wahr. Trude stand mir dabei zunächst nicht im Wege, da Ärzte für sie ohnehin lediglich ein beliebtes Feindbild waren. Der ab dem 80. Geburtstag schleichend einsetzenden Demenz wollte ich anfangs keine große Bedeutung beimessen.

Während sich mein Papa zunächst noch mit einem Rollator fortbewegen konnte wurde er 2015 bettlägrig und es musste in der Wohnung ein Pflegebett aufgestellt werden. Ich konnte veranlassen, dass sich mehrmals wöchentlich eine diplomierte Hauskrankenpflegerin um ihm kümmert. Diese Maßnahme wurde wiederholt von dessen Gattin – ohne meinem Wissen – rückgängig gemacht. Die aus dem Pflegenotstand resultierenden Erscheinungen – wie Dekubitus, Blutvergiftung und eine Lungenentzündung – machten zahlreiche Krankenhausaufenthalte erforderlich. Da sich Trude aber nicht einsichtig zeigte wurde mein Papa im Sommer 2016 – vermutlich auf Anregung des Krankenhauses – besachwaltet und in ein Pflegewohnhaus verlegt. Der als Sachwalter eingesetzte Rechtsanwalt war nun das neue Feindbild von Trude.

Wenngleich ich wusste, dass mein Papa in kein Pflegeheim gewollt hätte musste ich erkennen dass jede Form der Hauskrankenpflege von dessen Gattin torperdiert werden würde. Ich besuchte meinen mittlerweile deutlich von Demenz gezeichneten Papa zweimal in der Woche im Pflegewohnhaus und es gelang mir einer Konfrontation mit seiner Gattin soweit wie möglich aus dem Wege zu gehen. Es tut weh, dass ich mich in dieser Zeit mit meinem Papa nicht mehr wirklich austauschen konnte. Nach zwei Jahren und einer Woche – am 24. August 2018 – starb Papa im 88. Lebensjahr.

Verzeiht mir bitte, dass ich mich außerstande sehe auf weitere Details einzugehen. Weiteres findet ihr im Blog unter
svg robert.labut.at