Die im Jahr 2015 gefallenen Worte eines Freundes waren bestimmt nicht böse gemeint. Aber es wurde mir wieder vor Augen geführt wie schwer es den Mitmenschen fällt mich zu verstehen.
Psychotherapie
Seit September 2014 habe ich eine Psychotherapie in Anspruch genommen, im Zuge derer auch einige psychiatrische Diagnosen gestellt wurden. Als ich im April 2015 in die mir zuerkannte Berufsunfähigkeitspension getreten bin unterbrach ich die Therapie vorerst. Bald wurde mir aber klar, dass eine professionelle Unterstützung für meinen neuen Lebensabschnitt unerlässlich ist. Seit September 2014 setze ich die Therapie fort und sehe diese Gespräche als unerlässliche Orientierungshilfe.
Bei einem kürzlich stattgefundenen Treffen mit zwei Freunden wollte ich in wenigen Worten vermitteln welche Motive mich zu den letzten Schritten bewogen hätten. Es kommt nur relativ selten vor, dass mich eine harmlos erscheinende Aussage in Rage versetzen kann, an diesem Abend war es aber so. Der Freund versuchte zu relativierten, indem er meinte dass „es vielen Menschen so ginge“. Ich fühlte mich wieder mal unverstanden und erwiderte, dass wohl „viele Menschen“ mit 14 Jahren an Krebs erkranken würden und die letzten sieben Jahre gegen einen Hirntumor mit unsicherer Prognose zu kämpfen hätten. Auf meinen Konter wurde nicht näher eingegangen, ich hoffe aber dass er dennoch ansatzweise hinterfragt wurde.
Natürlich weiß ich, dass mehrere Menschen im Laufe ihres Lebens eine Psychotherapie aus verschiedenen Beweggründen in Anspruch nehmen. Dennoch sind diese Fälle aus meiner Sicht zumeist nicht mit dem meinen vergleichbar. Wenn der Freund etwa anmerkt, dass sich an meinem Leben nach einjähriger Therapie zuwenig verändert hätte zeigt mir dies, dass nicht verstanden wird worum es überhaupt geht. Ich weiß schon auch, dass ich zuwenig in der Lage bin Einblicke in meine Emotionen zu gewähren. Am 21. Oktober habe ich mich auch mit meiner Therapeutin über diesen Wortwechsel unterhalten. Im wesentlichen wurde von ihrer Seite darauf verwiesen, dass mein Verhalten zunehmende Anzeichen des Asperger Syndrom zeigen würde. In diesem Zusammenhang möchte ich auf das von mir gestaltete Blog aspie.labut.at hinweisen. Die psychiatrischen Diagnose bringe ich im Freundeskreis selten bis gar nicht zur Sprache, da ich der Meinung bin dass sie ohnehin nicht verstanden werden.
Treffen mit früheren Kollegen
Rund um meinen 44. Geburtstag haben sich drei ehemaligen Kollegen bei mir gemeldet, mit denen ich in den letzten Jahren zwar nicht mehr allzu eng zusammengearbeitet habe, mit denen mich aber eine freundschaftliche Basis verbindet. In den letzten sechs Monaten bin ich bewußt abgetaucht, da ich zu sehr befürchtet habe im persönlichen Kontakt ungewollt meine Pension rechtfertigen zu wollen. Ein Treffen im möglichst kleinen Kreis könnte im November 2015 aber durchaus stattfinden, auch wurde von meiner Seite eine Teilnahme an der Weihnachtsfeier des Teams in einem Kaffeehaus in Aussicht gestellt. Irgendwie tue ich mir mit dem Gedanken daran trotzdem noch etwas schwer …
Von dem bereits erwähnten Freund wurde mir versichert, dass er von den Kollegen wisse dass „fast jeder“ meinen Schritt verstanden hätte. Es wäre „das Beste gewesen, was ich tun konnte“, soll man gemeint haben. Die meisten Menschen in einer vergleichbaren Situation würden diese Worte wohl sehr positiv auffassen, anders sieht das leider aber bei mir aus. Wie ich es zuletzt gegenüber meiner Therapeutin formuliert habe möchte ich für den von mir gesetzten Schritt bestimmt nicht gelobt, sondern lediglich ein wenig verstanden werden.
Hier spielt wohl meine langjährige Einstellung zur Arbeit eine nicht unerhebliche Rolle. Ich habe stets versucht meinen Beruf so leistungsorientiert wie möglich zu erfüllen. Anders als manch andere Menschen – die mich durchaus genervt haben – war es bestimmt nicht so, dass ich der Arbeit aus dem Weg gegangen oder vorrangig auf die nächste Pause und den Feierabend geschielt habe. Zehnstündige Arbeitstage waren bei entsprechenden Arbeitsaufkommen bei mir fast bis zuletzt keine Seltenheit. Als ich nach den drei Schädel OP’s jeweils aus dem Krankenhaus entlassen wurde war ich nach zwei Wochen wieder am Arbeitsplatz, eine Rehabilitation hatte ich bis 2014 nie angedacht. Wer sich nie über etwas beklagt vermittelt den Eindruck, dass es ihm bestens gehen würde. Auch wenn ich das Raunzen der anderen aus tiefstem Herzen ablehne muß ich zur Kenntnis nehmen, dass das extrem entgegengesetzte Verhalten eine selbstzerstörende Wirkung entfalten kann.
Es war in erster Linie die psychische Erschöpfung, die mir ab 2014 immer mehr zu schaffen machte und die letztlich dazu führte dass ich in die Berufsunfähigkeitspension getreten bin. Und jetzt hätte ich eben jene Freizeit, die sich manch andere so sehr wünschen würden – diese Botschaft glaube ich vereinzelt zwischen den Zeilen herauszuhören. Der Preis, den ich für diesen Status zahlen muß sollte aber wohl nicht übersehen werden …
Entweder fasse ich die Reaktionen meiner Mitmenschen falsch auf oder stehe ich zuwenig zu mir selbst. Wahrscheinlich werden beide Faktoren ein wenig zutreffen. Ich bin der Meinung, dass mein emotionsarmes Auftreten nicht mit dem Status eines Menschen harmoniert, der krankheitsbedingt pensioniert wurde. Dass die vorliegenden Diagnosen alles andere als schön sind wird niemand bestreiten wollen, aber diese sieht man mir doch nicht an der Nasenspitze an. Und wenn ich an manche Aussagen denke wird mir klar, dass mein vorherrschendes Gefühl nicht ausreichend verstanden zu werden auch nicht von Ungefähr kommt …