Kürzlich bin ich auf das Buch „Und plötzlich aus der Spur“ gestoßen.
Die Autoren sind in diesem wertvollen Fachbuch der Frage nachgegangen, mit welchen Beeinträchtigungen die Betroffenen einer „erworbenen hirnorganischen Erkrankung“ konfrontiert werden können. Nach einem Schlaganfall, einem Schädel-Hirn-Trauma oder einem Hirntumor ist das Leben nicht mehr so, wie es vorher war. Das Patientenbuch spricht die Probleme direkt an und soll dabei helfen das Beste aus der aktuellen Situation zu machen.
Und plötzlich aus der Spur …
Ratgeber für Betroffene und Angehörige
von Angela Luppen und Harlich H.Staveman
Beltz Verlag, 211 Seiten
beltz.de
Nach der Diagnose eines atypischen Meningeom im März 2008 habe ich mich mit Büchern beschäftigt, in denen Betroffene sehr eindrucksvoll von ihrem Leben mit einem Hirntumor berichten und wertvolle Einblicke in ihre Gedankenwelt gewähren. Mittlerweile 55 derartige Bücher findet ihr unter meningeom.at/literatur
Aber auch das Werk über das Leben mit neurologischen Erkrankungen hat meine inhaltlichen Erwartungen sehr gut erfüllt. Es werden unter anderem Themen wie Persönlichkeits- und Verhaltensänderungen, aber auch Schuldgefühle und die Möglichkeiten der neurologischen Rehabilitation behandelt.
Das Kapitel 5.3 beschäftigt sich mit den „psychisch krank machenden Denkmustern„, von denen 13 solche – vom Katastrophendenker bis zum Punktekämpfer – vorgestellt werden. Ich war in Zusammenhang mit meinem Krankheitsverlauf mit verstärkten psychischen Belastungen konfrontiert und nehme seit 2014 eine Psychoeinzeltherapie in Anspruch. Beim Lesen des Buches „Und plötzlich aus der Spur …“ war ich anfangs durchwegs verblüfft, als ich die Beschreibung eines Denkmusters vorfand, welches in vielen Abschnitten meiner Persönlichkeitsstruktur entspricht. Es handelt sich dabei um den „Selbstschutzexperten“ und dessen Eigenschaften, denen ich diese Zeilen widmen möchte.
Die Autoren erläutern (auszugsweise), dass „Selbstschutzexperten versuchen mit allen Tricks ihre Schwachstellen zu verbergen oder zu überspielen. In der Regel wirken sie selbstsicher, teils resolut und zielstrebig, teils freundlich distanziert oder besonders gelassen. Manchmal erscheinen sie auch überheblich, arrogant oder zynisch. Kommen Selbstschutzexperten in die Situation krank und hilfsbedürftig zu sein erfüllen sich gewissermaßen alle ihre Albträume. Im Rahmen der Therapie versuchen Vertreter dieses Denkstils häufig hartnäckig ihre Fassade aufrecht zu erhalten.“
Der eine oder andere Leser, der mich persönlich kennt, wird nun möglicherweise zu grübeln beginnen, wo ich in dieser Beschreibung die Parallelen sehen würde. Das möchte ich versuchen in einigen wenigen Punkten aufzuzeigen.
- Ja, der Selbstschutz spielt in meinem Verhalten bestimmt eine große Rolle – wenngleich er weniger bewusst ausgelebt, als sich vielmehr verinnerlicht hat. Wenn ich meine Schwächen nicht zeige oder sie auch totschweige biete ich anderen Menschen weniger Angriffsflächen. Wann und wodurch sich diese Eigenschaften in meinem Verhalten manifestiert haben lässt sich schwer sagen. Es mag schon sein, dass man nicht wie ein „offenes Buch“ durchs Leben schreiten muss und auch Distanzen wahren kann, doch hat das Denkmuster des „Selbschutzexperten“ auch zahlreiche unschöne Begleiterscheinungen.
- Aus einer Selbstbeobachtung heraus nehme ich verstärkt wahr, wiesehr ich einzelnen Mitmenschen ein Schauspiel abliefere oder eine Mauer aufbaue. Dadurch kann das Bild eines selbstsicheren Pragmatikers entstehen, was einer fatalen Fehleinschätzung entspricht. Dieser Umstand ist von mir keinesfalls gewollt und es ist mir auch bewusst, dass dadurch nur wenigen Menschen tiefergehende Einblicke in mein Seelenleben ermöglicht werden.
- Auch die in dem Buch beschriebenen Eigenschaften des „überheblich und arrogant wirkenden Typen“ sind – im besonderen beim Kennenlernen von Menschen – bei mir nicht unzutreffend. Obwohl ich denke, dass ich ein unterdurchschnittliches Selbstbewusstsein aufweise schaffe ich es dennoch mit einer emotionsarmen, aber durchwegs guten Rethorik ein falsches Bild zu vermitteln.
Unter anderem wird in dem Buch zur Therapie von Selbstschutzexperten darauf hingewiesen, dass diese „nur, wenn sie ihre Schwachstellen und Defizite eingestehehen, diese durch Übung und Therapie abbauen könnten“. Dem ist wohl nicht viel hinzuzufügen …