Im heurigen Jahr habe ich schon zahlreiche Wanderkilometer zurückgelegt. Die Hintergründe möchte ich gerne in einer kleinen Zeitreise zu beleuchten versuchen.
Kindheit und Jugend
In den alten Familienalben entdeckte ich schon vor einer Zeit eine Aufnahme, welche mich in Kindheitstagen mit meinem Bruder, meiner Mama und meiner Oma zeigt. Selbst bin ich der Einzige auf diesem Bild, der heute noch lebt – soviel sei am Rande erwähnt …
Oma war bis ins hohe Alter darauf bedacht sich mittels ausreichender Bewegung fit zu halten. So verbrachte sie auch mehrwöchige Wanderurlaube in einem damals vom ÖGB betriebenen Erholungsheim in Niederösterreich, wo wir sie an Wochenenden manchmal besuchten. Es ist nicht allzu ungewöhnlich, dass ich als Kind mit einer Wanderung nicht viel anfangen konnte. Ich glaube, dass sich dies auf dem obigem Foto sogar erkennen lässt …
Nicht ganz unwesentlich erscheint mir aber auch der Umstand, dass ich in der Hauptschule über Jahre hinweg im Turnunterricht lediglich mit einem „Genügend“ abschließen konnte. Auch an die Schulschiwoche, an der ich einmalig teilgenommen hatte, möchte ich nicht gerne zurückdenken. Die pädagogischen Glanzleistungen versetzten mich innerhalb der Klassengemeinschaft in eine permanente Außenseiterrolle, aus der ich mich nicht befreien konnte – und eine sportliche Freizeitgestaltung schien mir letztendlich unvorstellbar.
Mein Verhältnis zum Sport
Was sich bis heute nicht geändert hat – und auch wohl nicht mehr ändern wird – ist mein Desinteresse an Passivsport. Wahrscheinlich liegt jegliche Fankultur meinem Wesen relativ fern – was aber jetzt keinesfalls als ablehnende Haltung gegenüber Sportinteressierten verstanden werden soll.
Die schlechte Beurteilung im Turnunterricht kam auch nicht von Ungefähr, doch bemängele ich natürlich die fehlende Rücksichtnahme und Unterstützung. Eine motorische Ungeschicklichkeit sowie Schwächen in der sozialen Interaktion darf ich mir heute getrost eingestehen und weiß dass ich für jegliche Ballsportart schlichtweg ungeeignet bin. In späteren Jahren unternahm ich dann einige erfolglose Anläufe mich dem Freizeitsport anzunähern. Das angeschaffte Fahrrad wie auch die Langlaufschis mussten sich aber sehr rasch im Abstellraum heimisch fühlen. Auch die Zeit im nahegelegenen Fitnesscenter war rasch wieder vorbei.
Laufen
Im Jahr 2011 fragte mich ein Freund und damaliger Kollege ob ich Lust auf einen abendlichen Lauf über die Prater Hauptallee hätte. Aus dieser spontanen Idee wurden regelmäßige und sehr angenehme Läufe, bei denen wir uns konditionell verbessern, aber auch entspannen und zwischenmenschlich austauschen konnten. Angespornt von den positiven Erfahrungen nahm ich in den darauffolgenden Jahren an einigen Bezirks- und Benefizläufen teil, bei denen meist rund 10 Kilometer zurückzulegen waren. Der Vienna City Marathon, der mir stets um eine Schuhnummer zu groß erschien, verfolge ich auch heute noch gerne als Zaungast. Das Laufen hat mir wesentlich dabei geholfen einen persönlichen Weg zu einer körperlichen Betätigung zu finden. Die Laufschuhe kamen später immer seltener zum Einsatz – aber das spielt keine wirkliche Rolle …
Wandern
Ich kann gar nicht mal sagen, wann mich das Wandern zu interessieren begann – intensiver wurde es jedenfalls erst im Jahr 2015. Vorerst wollte ich versuchen die Wiener Stadtwanderwege – Kahlenberg, Leopoldsberg, Bisamberg & Co. – in einem kleinen Blog zu dokumentieren. Erst der spätere Einsatz von GPS Trackingtools führte dazu, dass ich mich auch an weitere Routen heranwagen wollte.
Konditionell hatte ich die bisherigen Wanderungen gut gemeistert, doch begann sich nun wieder meine Scheu vor dem Gruppenverhalten bemerkbar zu machen. Nachdem mich der Reiz überkam auch eine Mehrtagestour zu unternehmen entschloss ich mich im Oktober 2015 dazu den Via Sacra nach Mariazell anzugehen. Ein günstiges Paket beim Tourismusverband, welches drei Übernachtungen beinhaltete, war rasch gebucht. Alleine startete ich am 12. Oktober in Hinterbrühl und hätte an diesem Tag rund 40 Kilometer zurückzulegen gehabt. Nachdem ich – trotz Touren App am Smartphone – mehrmals vom Weg abkam und kaum bereit war andere Menschen anzusprechen begann die Motivation merklich zu schwinden. In Mayerling legte ich eine Rast ein – und wie es der Zufall so wollte fuhr bei der nahegelegenen Haltestelle der Postbus in Richtung Mödling vor. Damit war der Mehrtagesausflug auch schon wieder vorbei. Ein neuerlicher Anlauf ist jedenfalls vorstellbar, aber bis heute nicht erfolgt …
Wandergruppe
Ich möchte gar nicht bestreiten, dass eine Gruppe entsprechende Vorteile bei der gemeinsamen Tourenplanung und Orientierung bieten kann. Schon 2015 trat ich dem Alpenverein bei, nahm einmalig an einer Jahresversammlung in der Wiener Innenstadt teil und trat dann aus dem traditionsreichen Verein wieder aus. Die zahlreichen Angebote von geführten Wanderungen waren mir bekannt – doch überwog letztlich die Sorge, dass das Gruppenverhalten für mich zu einer nachhaltigen Belastung werden könnte.
Seit 2015 bin ich freiwilliger Mitarbeiter einer Hilfsorganisation, in welcher ich mich seither in unterschiedlichen Aufgabengebieten einbringe. Anfang 2017 wurde eine Wandergruppe für die Mitglieder des Vereins gegründet, deren Koordinator ich seither bin. Ich kann insofern meine Stärken einbringen, dass die monatlichen Ausflüge penibel vorbereitet und organisiert werden. Die persönlichen Bedenken, dass meine Psyche und Persönlichkeitsstruktur mit einer bunten Gruppendynamik nicht immer harmonieren sehe ich aber durchaus bestätigt. Meine Psychotherapeutin erklärt den vermeintlichen Widerspruch insofern, dass ich die freiwillige Mitarbeit in der Wandergruppe schlichtweg als „Aufgabe“ betrachte. Aber als eine Aufgabe, die mir auch Spaß macht …